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Die Kultur des »Selbstvertrauens« als Grundlage des politischen Handelns in der von Thomas Sankara geleiteten Revolution

An der Spitze einer Gruppe von Soldaten und Zivilisten übernahm Thomas Sankara am 4. August 1983 durch einen Staatsstreich die Macht in Burkina Faso. Seine Kameraden und er installierten mit dem "Nationalen Revolutionsrat" (CNR) eine vom Marxismus-Leninismus geprägte Regierung. Während 4 Jahren führte der CNR eine Massenmobilisierung durch, um die materiellen und geistigen Grundlagen der burkinischen Gesellschaft zu verändern. Diese "Revolution" beschränkte sich nicht nur auf das Land Burkina Faso, sondern erregte international Aufmerksamkeit. Thomas Sankara und seine glücklosen Leidensgenossen wurden am 15. Oktober 1987 ermordet, als Blaise Compaoré, bis dahin enger Freund von Thomas Sankara und die Nr. 2 des CNR, die Macht übernahm. Sankara und seine Kameraden wurden hastig verscharrt – ohne jede Bestattungszeremonie. Die Mörder des Revolutionsführers glaubten, damit ihn und seine Ideen endgültig begraben zu haben. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass "der Tod von Helden oftmals bedeutender ist als deren Zugriff auf die Macht". Der Tod von Thomas Sankara bewies diese Erkenntnis. Der Putsch vom 15. Oktober 1987 mit dem Mord an Thomas Sankara und seinen Kameraden ließ das Land in eine moralische Teilnahmslosigkeit versinken. Er deckte die Anhänglichkeit vieler Burkinabè an ihren Helden und die Ablehnung einer auf Gewalt gegründeten politischen Ordnung auf. Die unanständige Aufforderung der Putschisten an die Bevölkerung, den Staatsstreich gegen Thomas Sankara zu unterstützen, fand keinen Widerhall. Nur durch politische Machenschaften konnten später Gruppierungen gebildet werden, die dem revolutionären Regime allerhand kriminelle Handlungen vorwarfen. Dies alles konnte nicht verhindern, dass der Anführer der burkinischen Revolution zu einem afrikanischen Helden erklärt wurde. Thomas Sankara war selbst von seinem Vorhaben so überzeugt, dass er in seinen öffentlichen Reden oft sagte: "Wenn sie heute Sankara töten, werden sie morgen Tausende von Sankaras haben!". Der Aufstand vom 30. und 31. Oktober 2014 in Burkina Faso hat letztlich bewiesen, wie sehr die Devise von Thomas Sankara: "Vaterland oder der Tod, wir werden siegen!", zusammen mit anderen Leitsprüchen, diesen Zusammenschluss des Volkes strukturiert, gefestigt und nutzbar gemacht hat.

Der Einfluss der Sankara-Revolution ist heute über jeden Zweifel erhaben. Die Sankara-Jahre allerdings in wenigen Worten zusammenzufassen, ist eine große Herausforderung. Im vorliegenden Beitrag wollen wir, nicht ohne Kritik an einigen seiner Handlungen, nur hervorheben, was wir für eines der größten Werke von Thomas Sankara halten: die Kultur des "Selbstvertrauens".

Tatsächlich war eine der wichtigsten Strategien der Revolutionäre unter der Leitung von Thomas Sankara die Förderung des "Selbstvertrauens". Es handelt sich dabei um ein philosophisches Prinzip, mit dem die geistige Einstellung verändert werden sollte, um die Herausforderungen der Entwicklung zu bewältigen. Ziel der Revolution war es, die materiellen und moralischen Lebensbedingungen der Völker zu verändern, aber auch die nach außen gerichtete politische Ordnung umzustürzen. Die Bereitschaft der Bevölkerung, zunächst ein Vertrauen in sich selbst zu entwickeln, war sicher eine bedingungslose Voraussetzung für den Erfolg der Revolution. Sankara sagte selbst einmal: "Damit die Revolution siegt, braucht sie eine überzeugte und keine unterworfene Bevölkerung". Also mussten die Menschen überzeugt werden, dass sie sich selbst entwickeln konnten, ohne auf die von außen kommenden Spenden einer vom Kapitalismus beherrschten Welt zu warten. Kapitalismus ermöglicht im globalen Maßstab die Schaffung von Reichtum, führt aber zu ungleichen sozialen Bedingungen, von denen nur die Reichen profitieren.

Diese Einstellung war vor allem dadurch gerechtfertigt, dass das damalige Obervolta (das erst 1984 unter Thomas Sankara zu Burkina Faso wurde) vor großen Entwicklungsproblemen stand: Es hatte eine rückständige Landwirtschaft, häufige Dürreperioden, ein galoppierendes Bevölkerungswachstum, qualitative und quantitative Unterernährung, eine sehr niedrige Einschulungsrate, hohen Analphabetismus, unzureichende Subsistenzwirtschaft, einen nur aus wenigen Rohstoffen bestehenden und stets defizitären Außenhandel, hohe Mutter- und Kindersterblichkeitsrate, andauernde politische Instabilität, nach außen orientierte Wirtschaft, politische und wirtschaftliche Abhängigkeit von der früheren Kolonialmacht Frankreich, sehr beschränkte Wirksamkeit der internationalen Hilfen usw… Nach den Worten von Thomas Sankara war das "Land ein Sammelpunkt aller Übel, die Afrika unterminieren". Die wichtigste Frage, auf die die Revolutionäre ein Antwort finden wollten und mussten, war folglich: "Wie kommen wir aus der Lethargie heraus, die unsere Entwicklungsprobleme verfestigt?"

Thomas Sankara hatte begriffen, dass niemand besser geeignet war, die afrikanischen Länder zu entwickeln als die Afrikaner selbst. Die Afrikaner würden aber niemals aus der Not herauskommen ohne Vertrauen in sich selbst und in ihre Fähigkeit, selbst ihre Länder zu verändern. Deshalb kam er schon früh zur Erkenntnis, dass man das Zutrauen der Bevölkerung zu sich selbst fördern müsse und seine Fähigkeit, seine eigene Zukunft zu gestalten. Um das Selbstvertrauen der Burkinabè stärken sowie ihre Fähigkeit, ihre Lebensumstände selbst zu verbessern, erschienen Thomas Sankara und seine Genossen oft in der Öffentlichkeit und warben für ihr Konzept. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass die Machtstrukturen im Land mit ihren Wünschen nicht unabhängig waren von der kapitalistischen Weltordnung. Um unabhängig eine Wahl treffen zu können, muss man kämpfen und arbeiten, aber auch seinen Feinden Widerstand leisten können. Thomas Sankara ging die Schwierigkeiten auf seine persönliche Art und Weise an. Aus Gründen der Würde und um mit den früheren politischen Systemen abzubrechen, weigerte er sich beispielsweise, zum "Befehlsempfang" nach Paris zu reisen, wie es gewisse Präsidenten der früher von Frankreich kolonisierten Länder häufig taten. Er verlangte, dass Burkina Faso als unabhängiger Staat wie jeder andere Staat zu behandeln und die Würde seiner Staatsbürger zu achten sei. Er verurteilte zum Beispiel, dass afrikanische Regierungschefs im Westen nicht so empfangen wurden wie die westlichen Regierungschefs in Afrika. Durch die Namensänderung seines Landes und eine neue Nationalhymne unterstrich er, dass jetzt die Symbole der Kolonisation und des Neokolonialismus, die nach wie vor die Beziehungen zwischen Afrika und Frankreich prägten, abgeschafft werden müssen. Obervolta wurde 1984 zu Burkina Faso, d.h. "Vaterland der ehrenwerten Menschen" und die Siegeshymne "Ditanyè" wurde zur Nationalhymne. Diese Bezeichnungen wurden aus lokalen Sprachen gebildet und nicht aus dem Französischen. Sankara richtete "neue Schulen" ein, in denen die Grundschulkinder in ihrer lokalen Sprache und nicht mehr nur in Französisch unterrichtet wurden und zeigte so, dass die lokalen Sprachen genauso gut waren wie die anderen Sprachen. Er war sich der Tatsache bewusst, dass eine Sprache immer auch eine Kultur und eine Geisteshaltung befördert. Für ihn beruhte "Selbstvertrauen" auf der eigenen sprachlichen und kulturellen Grundlage und sollte keinesfalls eine stumpfe Nachahmung einer fremden Kultur sein, die den Erfindungsgeist für die eigene Entwicklung nur einschränkt.

Indem sie in ihren Reden den Imperialismus, den Kolonialismus und den Neokolonialismus verdammten ("Nieder mit dem Imperialismus", "Nieder mit dem Kolonialismus", "Nieder mit den örtlichen Knechten des Imperialismus", …), versuchten die Revolutionäre, der Bevölkerung beizubringen, dass nun "ihr Erfindungsgeist befreit" sei und dass sie nun die "materiellen Grundlagen ihrer Zukunft" mit den eigenen Händen schaffen könnten. Sie riefen das Volk dazu auf, zu arbeiten, um keiner Hilfe mehr zu bedürfen. Für sie war Entwicklungshilfe eine Strategie zur Beherrschung eines Landes durch ein anderes. Für Thomas Sankara war "ernsthafte Hilfe dazu bestimmt, Hilfe abzuschaffen", d.h. Hilfe überflüssig zu machen, anstatt sie zur Dauereinrichtung werden zu lassen, wie es sich in vielen früheren afrikanischen Kolonien zeigte.

Um zu zeigen, dass die Burkinabè ihre Unabhängigkeit durch die Entwicklung einer Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln wieder erreichen können, startete die revolutionäre Regierung sozioökonomische Projekte unter der Beteiligung der Bevölkerung, die ja als Arbeitskräfte den größten Reichtum des Landes darstellten. Es wurden in den "Städten des 4. August" Sozialwohnungen gebaut, der Staudamm des Sourou wurde errichtet, um Tausende Hektar Böden bewässern zu können, in den Stadtrandbezirken wurden Wohnsiedlungen für die Bevölkerung angelegt, unter dem Projektnamen "Schienenschlacht" wurden Eisenbahnlinien gebaut, Soldaten wurden in Wirtschaftsbereiche abgeordnet wie z.B. in den Straßenbau, in die Viehzucht oder in die Landwirtschaft, die militärische Ausbildung wurde demokratisiert, der Armee, die früher von der Bevölkerung sehr gefürchtet wurde, wurde ihr Mythos genommen, usw..

Um sich gegen den Preisrückgang von Rohbaumwolle zu wehren (dem wichtigsten Exportartikel des Landes in den 80er Jahren), setzte sich Thomas Sankara für das Tragen des "Faso Dan Fani" ein, einem Kleidungsstück aus lokal erzeugtem Gewebe, um die lokale Verarbeitung von Rohstoffen zu fördern. Die Leitsprüche dazu lauteten: "In Burkina Faso produziert" oder "burkinische Produkte kaufen". Der Präsident und seine Minister kleideten sich mit diesen traditionellen Gewändern. Auch die Armee wurde mit lokalen Tüchern eingekleidet, ebenso die Schüler. Die Beamten fühlten sich praktisch verpflichtet, den aus lokalem Baumwolltuch hergestellten Faso Dan Fani zu tragen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, Reaktionäre, Konterrevolutionäre oder gar Volksfeinde zu sein. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahmen zeigten sich sofort. Die einzige in Koudougou ansässige Textilindustrie des Landes durfte kein Cretonne-Baumwolltuch (Anm.d.Red.: Bei Cretonne handelt es sich um ein gröberes, leinwandbindiges Baumwollgrundgewebe mit stumpfer Optik und einem relativ harten Griff, das u. a. als Druckgrundware eingesetzt wird. Roh, gebleicht, gefärbt oder bedruckt ist dieses Material vielseitig einsetzbar.) mehr aus dem Ausland importieren, um die von den Frauen so geliebten "Fancy-Wickelröcke" herzustellen, sondern musste seine Maschinen auf die Produktion von raffinierten Faso Dan Fani umstellen. Für diese Industrie war das ein großer Erfolg. Die ab jetzt von den Revolutionären in "Faso Fani" (vaterländisches Gewebe) umbenannte Industrie konnte 1986 wieder Profite verzeichnen. Solche positiven Ergebnisse hatte sie seit 1969, als sie aus den Händen von französischen Investoren vom burkinischen Staat übernommen wurde, nicht mehr erlebt.

Außerdem wurde die Einfuhr von kleinen Webstühlen vom Staat im Rahmen eines Förderprojektes für kleine und mittlere Betriebe unterstützt. Diese Betriebe standen nun im Wettbewerb auf dem Textilmarkt.

Neben dem rein wirtschaftlichen Aspekt des Tragens von traditionellen Geweben ging es den Revolutionären auch darum, die Burkinabè wieder mit ihrer traditionellen Kleiderkultur zu versöhnen und der "Entwicklung" einen anderen Sinn zu geben: aufeinander folgende positive Wandlungen und nicht mehr dauernde Einfuhr von ausländischen Produkten, die nur zu einer Abhängigkeit von außen sowie zum Abfluss von Devisen und zur Verschuldung führen.

Die Auswirkungen der "Selbstentwicklungspolitik" der Sankara-Jahre auf die burkinische Bevölkerung sind heute unübersehbar. Durch den Volksaufstand von 2014, die Übergangszeit von 2015 und die Übernahme der Präsidentschaft durch Roch Marc Christian Kaboré 2016 wurde der Faso Dan Fani (der zu Zeiten Thomas Sankaras zum Spaß auch "Sankara kommt!" genannt wurde) zur offiziellen Garderobe erhoben. Im Gegensatz zu den Sankara-Jahren wird dieses Kleidungsstück von den Burkinabè heute sehr gern getragen und ist Ausdruck des Nationalstolzes.

Mit demselben Schwung wie bei der Umstellung auf den Faso Dan Fani hat Thomas Sankara die burkinischen Brauereien aufgefordert, die Produktion von lokalem Bier zu verbessern und es im industriellen Maßstab in Flaschen abzufüllen. Als er verstanden hatte, dass die Ausfuhr von grünen Bohnen aus Burkina Faso nach Europa auch einen politischen Effekt hatte (Anm.d.Red.: Die Französische Fluggesellschaft UTA, die damals das Monopol für Flüge in die ehemaligen Kolonien hatte, weigerte sich eines Tages aus welchen Gründen auch immer, grüne Bohnen aus Burkina Faso zu transportieren.), verfiel er nicht in Pessimismus. Er unterstützte im Gegenzug offiziell und öffentlich den Verbrauch von grünen Bohnen im eigenen Land und half so den Erzeugern.

Auf internationaler politischer und wirtschaftlicher Ebene galt Thomas Sankara damals als wirtschaftlicher Nationalist. Aber die Sankara-Revolution trug in erheblichem Maße dazu bei, das Selbstvertrauen der burkinischen Bevölkerung zu stärken. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, dass die Politik von Thomas Sankara stets auf die Befriedigung der Wünsche der breitesten und der am meisten benachteiligten Schichten der Bevölkerung ausgerichtet war und nicht auf den persönlichen Vorteil der politischen Führer. Die Hauptziele von Thomas Sankara und seinen Revolutions-Genossen waren die Bereitstellung von Parzellen für den Wohnungsbau, der kostengünstige Schulbesuch der Kinder, ausreichende Ernährung und anständige Kleidung, die Versorgung mit den wichtigsten Medikamenten und Nähe zu den Gesundheitsdiensten, die Abschaffung der Angst vor der Armee, die Verpflichtung der Behörden, dem Volk zu dienen, der Kampf gegen Korruption und Misswirtschaft usw… usf…

Thomas Sankara und das "Selbstvertrauen" in seiner Rede vom 4. August 1986: "Heute hat das revolutionäre Burkina ein Wunder geschafft. Unsere Ergebnisse sind greifbar. Dies zu unterstreichen könnte dazu verleiten, an einen Mangel an Vertrauen in uns selbst zu glauben, aber genau in diesem Moment ist das Selbstvertrauen als grundlegende Errungenschaft unseres Volkes in den letzten drei Jahren gewachsen. Das Selbstvertrauen hat uns bewiesen, dass nicht die Anzahl der in einem Land verfügbaren Ärzte dafür ausschlaggebend ist, ob eine Kommandooperation gelingt oder nicht, wie etwa kürzlich die Impfungsaktion, bei der innerhalb von 15 Tagen mehr als zweieinhalb Millionen Kinder (2.500.000) zwischen 7 und 14 Jahren gegen Hirnhautentzündung, Masern und Gelbfieber geimpft wurden. Das Selbstvertrauen hat uns bewiesen, dass man es nicht nur mit Milliardenausgaben schafft, die Alphabetisierungsrate in weniger als drei Jahren von 16% auf 22% anzuheben. Das Selbstvertrauen hat es der demokratischen und volksnahen Revolution ermöglicht, jedes Jahr 8.363 Hektar Land gegen Erosion zu schützen, gegenüber jährlich nur 1.338 Hektar von 1960 bis 1983, 32 Staudämme und Wasserrückhaltebecken zu bauen, gegenüber nur 20 von 1960 bis 1983, die Menge aufgestauten Wassers von 8,7 Millionen Tonnen in Jahren von 1960 bis 1983 innerhalb von drei Jahren unter der Revolution auf 302,4 Millionen Tonnen zu steigern. Dieselbe Philosophie und dieselben Prinzipien der gut organisierten Übernahme unseres Schicksals haben es uns möglich gemacht, in drei Jahren 62.000 Parzellen für den Wohnungsbau bereit zu stellen und zu verteilen, gegenüber nur 60.000 in den letzten 23 Jahren."

Auf die Frage, was von den Sankara-Jahren übrig geblieben ist, antwortet Edouard Ouédraogo, Gründer der ersten privaten Zeitschrift "L'Observateur" von Burkina Faso: "Vor ihm (Thomas Sankara) waren die Obervoltaer sicher bereits arbeitsam und diszipliniert, aber sie hatten Komplexe, fühlten sich nicht wohl in ihrer Haut. Sankara hat den Bürgern von Burkina Faso ein Selbstvertrauen gegeben, das die Obervoltaer nicht hatten. Für mich ist diese Tatsache so viel Wert wie der ganze Rest. Der Stolz, Burkinabè zu sein, ist unvergleichlich".

Appolinaire Kyelem, ein Rechtsanwalt, sagte etwa dasselbe wie Edouard Ouédraogo: "Für mich gibt es das heutige Burkina Faso nur dank Thomas Sankara. Bevor Sankara kam, gab es praktisch nichts. Das Land war zerstückelt und stand zum Verkauf – wie 1932. Es gab keine Wirtschaft, von der das Land hätte leben können. Sankara hat die Macht in einem völlig verfallenen Staat übernommen. Mit seinem Mut und seiner Selbstverleugnung hat er Burkina Faso wieder in Schwung gebracht, auf einem sehr hohen Niveau in Afrika. Wir waren damals während unseres Studiums in Frankreich und er hat uns unser Selbstvertrauen zurückgegeben. Bei unseren afrikanischen Brüdern und vielen Franzosen waren wir angesehen".

Wenn Thomas Sankara der Nachwelt ein gutes Erbe hinterlassen hat, dann ist es nach unserer Meinung der Aufbau des "Selbstvertrauens", der Voraussetzung für jede Entwicklung. Auf dieser Grundlage erscheint es nicht mehr so erstaunlich, dass er zu einer politischen Ikone in Afrika geworden ist, das stets auf der Suche zu einem Vertrauen in sich selbst ist, um seine Entwicklung einzuleiten.

Es geht hier nicht darum zu behaupten, dass die Sankara-Revolution perfekt gewesen sei. Sie wurde bei weitem nicht von allen geschätzt, denn es gab viele Zwangsmaßnahmen bei ihrer Umsetzung und sie forderte auch Opfer.

Eine richtungweisende Maßnahme der revolutionären Regierung war z.B. das "kostenlose Wohnen", bei dem die Mieter von Privatwohnungen für einige Zeit von Mietzahlungen befreit wurden. Diese recht populistische Maßnahme wurde natürlich von den Mietern sehr begrüßt. Den Hausbesitzern, die oft als Bourgeois oder als Ausbeuter bezeichnet wurden, gefiel das selbstverständlich nicht, da sie nun für ihre Investitionen keine Rendite mehr bekamen.

Auch die sogenannten "Volksanstrengungen für Investitionen" (Efforts populaires d’investissement / EPI), die hauptsächlich aus Gehaltskürzungen der Beamten und des Mittelstands bestanden, um Rettungswagen für die medizinischen Zentren zu kaufen, wurden von vielen geschätzt. Aber diese Maßnahme führte auch zur Ablehnung bei einer neuen Gruppe von Personen, die sich unter die mit der Revolutionsregierung Unzufriedenen mischte.

Selbst die berühmte "Neue Schule" von Thomas Sankara, die ein Symbol für Ablehnung der von außen kommenden kulturellen und gesellschaftlichen Einflüsse und für die Stärkung der nationalen Werte sein sollte, wurde von den meisten Burkinabè falsch verstanden und abgelehnt.

Wenn es eine Sache gab, die bald anfing, die revolutionäre Bewegung zu diskreditieren, so war es deren Hang zur politischen Unterdrückung. Der Klassenkampf und der Antiimperialismus waren oft nur Vorwände, um politische Gegner kalt zu stellen und führten so zu einer Zunahme der politischen Gewalt.

Die Regierung Sankara hatte zum Beispiel direkt nach ihrer Machtübernahme die Einrichtung von zivilen Organisationen veranlasst, die an Waffen ausgebildet worden waren und oft über Waffen verfügten – die sogenannten Verteidigungskomitees der Revolution (CDR), die von einigen als Revolutions-Miliz bezeichnet wurden. Einige Mitglieder der CDR haben dazu beigetragen, die Bevölkerung zu solidarisieren und zu sensibilisieren. Gleichzeitig beteiligten sie sich an gemeinnützigen Arbeiten wie dem Sozialwohnungsbau oder an Projekten wie "Saubere Stadt" und "Weiße Stadt", sowie dem Schutz von Wohnquartieren. Sie arbeiteten oft ohne Gehalt. Manche nutzten ihre Stellung aus, um andere Menschen zu unterdrücken, Geld zu verdienen usw., was Sankara selbst oft kritisierte mit Slogans wie: "Nieder mit den CDR-Trittbrettfahrern" oder "Nieder mit den verfaulten CDR" usw.. Einige Mitglieder der CDR sind in die Geschichte als regelrechte Folterer eingegangen, die oftmals ihre Macht gegenüber der zivilen Bevölkerung missbrauchten. Zum Beispiel wurde die Bibliothek von Professor Joseph Ki Zerbo mit ihren vielen Tausend Büchern verwüstet – Ki Zerbo selbst war schon vorher ins Ausland geflüchtet, um den Revolutionären nicht zum Opfer zu fallen, deren praktisches Handeln oft im Widerspruch zur Theorie der Revolution stand.

Außerdem war durch den pyramidenartigen Aufbau der Volksdemokratien im Gegensatz zu den liberalen Demokratien die Existenz von liberalen politischen Parteien verboten, da sie als "bürgerlich" galten. Ganz allgemein war die Opposition gegen die revolutionäre Macht schlecht angesehen. Das hatte dazu geführt, dass manche Leute gezwungen wurden, Politik zu machen und viele andere aus der Politik entfernt wurden. Die Entlassung von vielen Beamten aus dem öffentlichen Dienst wegen schwerer Dienstvergehen, von denen auch viele strittig waren, vergrößerte die Reihen der Revolutionsopfer. Tausende von Lehrern wurden zum Beispiel gleich zu Beginn der Revolution entlassen, weil sie gestreikt hatten. Dies führte im Volk zur Verstimmung und bewog einige Gewerkschaften sehr früh dazu, sich radikal gegen die Revolutionsmacht zu stellen. Gewerkschaften, die die Revolution kritisierten, wurden als Anarchie-Gewerkschaften beschimpft und einige ihrer Mitglieder, wenn sie nicht schon unterdrückt worden waren, mussten sich verstecken.

Tatsächlich geschah es auch zu Beginn der Revolution von Thomas Sankara, dass Offiziere der Armee in Schnellverfahren abgeurteilt und entfernt wurden, wie zum Beispiel Guèbre Fidèle, einer der Kommandeure des in Dédougou stationierten Fallschirmjägerregiments. Dies schien allerdings nichts im Vergleich zu dem, was später unter dem sich revolutionär nennenden Regime von Blaise Compaoré passieren sollte.

Zum Schluss können wir feststellen, dass die Sankara-Revolution sich in den Geist der Burkinabè eingegraben hat, sei es positiv, weil sie der revolutionären Bewegung tatsächlich oder auch nur schweigend anhingen, sei es negativ, weil sie die Revolution generell ablehnten oder unter sie benachteiligenden Auswirkungen der revolutionären Maßnahmen zu leiden hatten. Egal wie der eine oder andere eine Revolution einschätzt, es ist auf jeden Fall falsch anzunehmen, dass eine auf dem Marxismus-Leninismus, einer zentralistischen Demokratie und dem Staatskapitalismus aufbauende Revolution in einem Staat umgesetzt werden könnte, ohne Opfer und Unzufriedene zu schaffen. Sankara hatte sich in vollem Bewusstsein und in vollem Vertrauen für die Revolution entschieden, da es in seinen Augen die einzige Möglichkeit war, in seinem Land und auch in anderen afrikanischen Ländern dafür zu sorgen, dass sie im Zusammenspiel der modernen Nationen "ihre Zukunft selbst erfinden". Das Vertrauen des burkinischen Volkes in sich selbst sollte ein Garant für den Erfolg der Revolution sein. Mir scheint, dass viele Menschen nicht wirklich oder lange nicht an diesen revolutionären Patriotismus glauben wollten, im Gegensatz zu anderen. Aber die von den Revolutionären entzündete Flamme brennt immer noch. Sie wurde auch in vielen anderen afrikanischen Ländern, die unter denselben existenziellen Problemen wie Burkina Faso leiden, bewundert. Die revolutionäre Bewegung, die im Oktober 2014 zum Volksaufstand geführt hat, hätte sich sicher nur schwer durchgesetzt, wenn sie sich nicht auf den Glauben an die Revolution der 80er Jahre hätte stützen können.

Prof. Dr. Yacouba Banhora, Universät Ouaga  ga

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