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Bildung ist nicht das beste Verhütungsmittel!

 

In jüngster Zeit wird vielfach die These vertreten, Bildung sei das beste Verhütungsmittel - insbesondere von Kreisen, die gegen Aufklärung und gegen eine Verwendung der eigentlichen Verhütungsmittel sind, aber auch von anderen.

Hintergrund sind die entsprechenden Interessen oder die fehlenden Kenntnisse von Ursachenermittlung. Wir wollen diese These beispielhaft anhand von Daten der fünf Projektländer von „Lebenschancen International“ und Kenntnissen der örtlichen Gegebenheiten widerlegen. Dazu bringen wir Übersichten verfügbarer Daten in drei Abbildungen am Ende des Artikels.

Abbildung 1 zeigt, dass in allen fünf Ländern die Frauen mit mindestens 10-jähriger Schulbildung deutlich weniger Geburten haben als die Frauen ohne oder mit geringerer Schulbildung. Solche Parallelen sind die Basis der erwähnten These.

Dabei ist aber nicht der längere Schulbesuch der Grund für die geringeren Kinderzahlen. In den meisten Schulen der Entwicklungsländer werden die Heranwachsenden nämlich kaum über die Entstehung von Schwangerschaften und schon gar nicht über Möglichkeiten von deren Verhütung aufgeklärt, wenn es nicht entsprechende Projekte wie die von „Lebenschancen“ gibt.

Dass Frauen mit längerer Schulbildung weniger Kinder haben, beruht vielmehr darauf, dass diese vorwiegend in Städten leben und aus Familien kommen, in denen schon mindestens der Vater eine gewisse Schulbildung hat. In den Städten wird zudem oft in der Öffentlichkeit für die Benutzung von Kondomen, die Einhaltung größerer Geburtenabstände und z.T. auch eine Beschränkung auf zwei bis drei Kinder geworben. Auch gibt es hier entsprechende Beratungsdienste und die Antibabypille oft rezeptfrei in Apotheken.

In den Dörfern müssen die Kinder schon früh im Haushalt oder der Landwirtschaft mitarbeiten. Söhne können dabei eine große Entlastung sein. Mädchen werden oft früh verheiratet, um der Schande einer unehelichen Schwangerschaft zu entgehen und sich von deren Lebensunterhalt zu entledigen. In der Ehe müssen diese dann bald den Nachweis der Fruchtbarkeit erbringen.

Auch halten sich auf dem Land mehr Menschen an religiöse Vorgaben gegen Empfängnisverhütung. Schließlich fehlt es hier auch oft an hinreichenden Informationen, Beratungsdiensten und einem leichten Zugang zu Verhütungsmitteln. (Näheres zur Situation in Burkina Faso im „Lebenschancen Report 2018“, S. 5).

Wie ein Vergleich der Abb. 1 und 2 zeigt, sind die durchschnittlichen Geburtenzahlen der 15-49-jährigen Frauen in den Städten - außer in Burkina Faso mit seiner insgesamt noch sehr hohen Geburtenzahl - gleich oder sogar geringer als die Geburtenzahlen der Frauen, die mindestens eine zehnjährige Schulbildung haben. Dabei gibt es in den Städten noch viele Frauen, die nie oder nur wenige Jahre eine Schule besucht haben.

Auch erklärt die These mit der großen Bedeutung der Schulbildung nicht, warum die Frauen mit gehobener Schulbildung in Burkina Faso und Togo mehr Kinder haben als die Frauen mit keiner oder kürzerer Bildung in Nepal.

           Bildung1   Bildung2   Bildung3

                                                                                                                                                                        

Wie die Abb. 3 zeigt, haben Burkina Faso und Togo auch relativ hohe Anteile von Landbevölkerung und von ländlichen Haushalten ohne Strom, was ganz andere Lebensverhältnisse beinhaltet. Einen hohen Anteil von Landbevölkerung hat andererseits auch Nepal, wo die Frauen im Durchschnitt die niedrigsten Geburtenzahlen haben. Hier gibt es aber den niedrigsten Anteil ohne Strom!

Mit mehr Schulen auf dem Land werden auch die Probleme der über 200 Millionen Frauen nicht gelöst, die eine längere Geburtenpause oder keine Kinder mehr wünschen, aber nicht verhüten. D.h. auch, dass die Realisierung des Menschenrechts auf Familienplanung damit nicht näher rückt.

Natürlich sind auch wir dafür, dass alle Mädchen eine gute Schul- und Berufsausbildung erhalten - wegen:

- der Chancengleichheit

- der Erleichterung des Lebens in allen Bereichen, wo größere Texte zu lesen sind

- und den meistens besseren Berufs- und Einkommenschancen.

Quelle der Anteile von Stadt– und Landbevölkerung: PRB Factsheet, Population by Residence, von allen anderen Daten: ICF/USAID: https://www.statcompiler.com/en/

Internet: https://www.lebenschancen.net/informieren/lebenschancen-report/

 

Dr. Gudrun Eger-Harsch, in: Lebenschancen Report 28, Feb. 2021 – S. 2